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Werner Rohner fragt | Raimund Bahr antwortet | 2002 | Strobl
Im Rahmen des Projektes Zeitzeug/inn/enhorizonte


Werner Rohner
Wann hörst du auf zu schreiben?

Raimund Bahr
Wenn ich tot bin. Also wenn ich körperlich nicht mehr schreiben kann, oder tot bin.

Du hast einmal gesagt, du kannst nicht in den Untergrund gehen, weil du keine Knarre in die Hand nehmen kannst. Du bleibst im Land, aber du kannst nicht mehr schreiben, wie du willst. Schreibst du dann weiter?
Selbstverständlich. Wenn im Land eine Diktatur ausbricht, hindert mich das ja nicht zu schreiben.

Aber es hindert dich zu publizieren.
Es würde mich unter Umständen daran hindern. Mit Websites kann ich das aber umgehen. In unserer heutigen technologischen Gesellschaft muß ich mich ja nur fragen: Wo publiziere ich? Ich könnte ja eine Untergrundzeitung machen.

Du würdest aber auch schreiben, wenn du nicht publiziert werden würdest?
Ich würde aus Notwendigkeit schreiben, weil es für mich wie Zähneputzen geworden ist. Ich kann mir nicht vorstellen, nicht mehr zu schreiben, nicht deswegen, weil ich mir nicht vorstellen kann nichts mitzuteilen, sondern weil der Akt des Schreibens so wichtig ist. Es ist kein Suchtmittel im eigentlichen Sinne. Ich bin es einfach gewohnt zu schreiben. Ich schreibe ja auch andere Texte: zum Beispiel Einkaufslisten. Ich habe ein Archiv, wo ich meine Texte ordne. Ich schreibe wissenschaftliche Texte. Ich tippe Interviews, das ist auch eine Art zu schreiben. Ich glaube, daß es für mich wichtiger ist, die Schrift zu setzen, als den Inhalt, den ich schreibe. Für mich ist es wichtig, mit Schrift umzugehen.

Aber schon auch das es publiziert wird.
Immer mit dem Gedanken, daß es eines Tages publiziert wird. Wobei der Gedanke wann es publiziert wird, nicht ursächlich das Wesentliche ist.

Es könnte auch nach deinem Tod sein.
Nach meinem Tod. Da wäre ich traurig. Aber es könnte auch nach meinem Tod sein. Da hätte ich zwar nichts davon, aber das interessiert mich nur peripher.

Und du hast das Gefühl, du hast noch was zu sagen, was noch nicht gesagt wurde oder könnte es sein, daß du zum Beispiel Günther Anders mehr unter die Leute bringen möchtest?
Das trifft es wahrscheinlich. Ich habe etwas zu sagen und das hängt damit zusammen, was Armin Anders immer über mich sagt: ich bin ein Rhetoriker. Wenn man in Österreich oder im deutschsprachigen Raum mit der Rhetorik, also mit dem Sprechen, Karriere machen könnte, würde ich nicht schreiben. Ich brauche das Schreiben, um dorthin zu kommen, daß ich mit dem Sprechen Publizität bekomme. Meiner Meinung nach geht es umgekehrt nicht in unserem Land, daß man mit dem Sprechen Publizität bekommt, mit dem man dann Schreiben kann. Lacan wäre für mich so ein Beispiel, der über das Sprechen, also seine Vorlesungen, Publizität gehabt hat, die er dann benutzt hat, um seinen Intellektuellen Status zu erreichen. Aber bei uns ist es umgekehrt. Du mußt etwas schreiben, publizieren und dann kannst du sprechen. Ich wäre wahrscheinlich ein guter Pfarrer geworden. Pfarrer konnte ich nicht werden, das ist mir auf Grund meiner Kindheitsentwicklung vergeben gewesen und für einen Universitätsprofessor fehlt mir die wissenschaftliche Präsenz. Ich muß mir also Raum für Rhetorik schaffen. Ich denke im Reden und Schreiben. Für mich geht es in erster Linie darum, unter die Leute zu bringen, was ich über die Welt denke. Wobei ich glaube, ich habe darüber etwas zu sagen. Dabei zerfällt mein Schreiben in drei Bereiche: Dinge, die andere gesagt haben, mit meinem Schreiben unter die Menschen zu bringen, für Günther Anders Publizität zu erreichen. Meine Theorie auf der essayistisch-wissenschaftlichen Ebene unter die Leute zu bringen und meine Literatur. Es geht dabei aber immer darum, Inhalte rüber zu bringen.

Und was meinst du mit deiner Literatur? Was hast du da zu sagen?
Einfach meine Beobachtungen über Menschen. Geschichten erzählen. In meiner Literatur erzähle ich Geschichten über die Welt, wie ich sie sehe, über die Menschen, die ich beobachte. Ich gehe immer mehr dazu über, Dinge zu dokumentieren, also gar nicht mehr Texte im eigentlichen Sinne zu schreiben. Ich versuche zwar immer noch, einen Roman zu schreiben, aber eigentlich geht es mir darum, die Welt zu dokumentieren, wie sie in meinen Augen erscheint. Im Literarischen dokumentiere ich psychologische Vorgänge, wie verhalten sich Menschen, wie irritiert sind sie, wie einsam sind sie, wie gruppiert sich Natur, wie ist mein Verhältnis zur Natur, zur Religion, zum Mitmenschen. In der Literatur geht es bei mir vor allem um das sogenannte Menschliche.

Und du hast nie daran gedacht, eine neue Religion zu gründen, um doch noch Pfarrer zu werden?
Nein, weil ich nicht an Gott glaube. Das Problem ist Gott. Ich kann keine theistische Religion gründen und eine andere würden die Menschen in der Form nicht verstehen. Also ich bin ein zutiefst religiöser Mensch, aber ich bin kein theistischer Mensch. Ich bin ein religiöser Atheist, so würde ich mich bezeichnen.

Du hast ein großes Ziel: den Nobelpreis.
Ja!

Du sagst aber auch oft, dir ist es wichtig, dieses Ziel zu haben, aber du mußt es nicht erreichen. Hast du ein Ziel, das du hast, das du gerne erreichen willst und auch traurig wärst, wenn du es nicht schaffen würdest, mit Bezug aufs Schreiben.
Ich würde keine Trauer darüber empfinden, wenn ich die Ziele, die ich erreichen will, nicht erreiche. Trauer ist für mich das falsche Wort. Ich würde auch keine Enttäuschung darüber haben, wenn ich nicht eines Tages mit einem Buch, in der Höhe von 100.000 Exemplaren, in den Auslagen liege. Ich würde auch nicht enttäuscht darüber sein, daß ich umsonst gearbeitet hätte. Worüber ich enttäuscht wäre, ist, wenn Leute nach meinem Tod sagen würden: Der Raimund hat immer nur für seine Ziele gearbeitet, sich durchzusetzen. Da wäre ich enttäuscht, weil ich nicht denke, das sei das Credo meines Lebens. Natürlich versuche ich immer auch meine Ziele, mit dem zu verbinden, was ich mit anderen tue. Aber wenn Leute nach meinem Tod an meinem Grab stehen und sagen würden, vorausgesetzt ich würde es mitkriegen: Der Raimund ist ein selbstsüchtiges Arschloch gewesen, dann würde ich mir denken, da ist etwas schief gelaufen. Da wäre ich wahrscheinlich beleidigt und ich würde denken, die haben mich nicht wirklich verstanden. Irgend etwas wäre da in der Kommunikation schief gelaufen.

Aber ein Buch in einem größeren Verlag zu publizieren, da gibt es keine Enttäuschung, wenn du das in dreißig Jahren noch nicht geschafft hast?
Nein, weil ich weiß, daß das Zufälligkeiten und Unwegbarkeiten sind, die einen dazu bringen, so etwas zu haben. Deshalb wäre es ein Unsinn, sich das als Ziel zu setzen und zu glauben, man kann das wirklich mit seinem eigenen persönlichen Einsatz erreichen. Das wäre eine völlige Selbstüberschätzung meiner Person, wenn ich glaube, daß könnte ich mit meiner Arbeit, auch wenn ich es mit anderen tue, hervorrufen. Ich kann vieles dazu tun, daß sich Situationen ergeben können, wo das dann passiert, aber beeinflussen kann ich es nicht, weil ich den Marktmechanismen unterlegen bin. Das sind Zufälligkeiten. Okay, wenn ich kein Kind kriege, dann bin ich zuständig, aber wenn ich kein Buch kriege, dann bin ich nicht zuständig. Da kann ich nur was tun dafür. Aber kriegen kann ich es nicht, nur weil ich es will. Ich kann nicht enttäuscht sein, weil ich die Erwartungshaltung nicht habe.

Also in Bezug auf das Kind, du kannst zwar Sex haben, aber ob du ein Kind kriegst, weißt du ja dann auch nicht.
Nein, aber ich kann zumindest alles dazu tun, damit ich ein Kind kriege, wenn ich Sex habe. Aber wenn ich viel für ein Buch tue, heißt das noch lange nicht, daß ich eines kriege. Die Wahrscheinlichkeit, daß ich durch Sex ein Kind kriege, ist höher, als durch alles was ich tun kann, ich ein Buch zu kriegen. Vielleicht war das ein schiefer Vergleich, weil ich gerade ein Kind kriege.

Du hast gesagt, daß du Spaß hast beim Schreiben. Gibt es etwas, das du dir vorstellen könntest, was dir den vermiesen könnte?
Den Spaß beim Schreiben? Hat mir schon einmal etwas den Spaß beim Schreiben vermiest? Schlecht gelaunte Frauen, schlechtes Mittagessen. Ob es etwas geben könnte, das mir den Akt des Schreibens vermiesen könnte?

Es war auch allgemein gemeint.
Ich kann nur sagen, was mir den Spaß erhöhen würde. Erhöhen tut’s den Spaß, wenn ich auf einer Veranda sitz‘, und auf‘s Meer hinausschau’ und mir denke, jetzt kann ich dreißig Jahre nur das Schreiben, was ich will. Das würde meinen Spaß enorm erhöhen, wenn ich im Süden lebe, wo es warm ist, wo ich am Abend hinausgehen, an der Promenade spazieren gehen, aufs Meer hinausschauen kann, meine Frau und meine Kinder bei mir. Dann sitz ich dort, ab und zu fahr ich in die Welt, rede mit den Leuten über das, was ich geschrieben habe oder was ich denke. Dann fahr ich wieder nach Hause, dann schreibe ich wieder und fahre wieder weg und hole mir wieder, was ich zum Weiterschreiben brauche.

Dann schreibst du jetzt auch Sachen, die du nicht willst. Weil du hast gesagt, wenn ich dreißig Jahre das Schreiben könnte, was ich will.
Dann habe ich mich falsch ausgedrückt. Ich meine, wenn ich dreißig Jahre Schreiben könnte, wann und wo und wie ich will.

Das heißt, du schreibst jetzt nur, was du willst.
Ja.

Du hast gesagt, du hast deinen Stil gefunden. Und wenn du jetzt auch noch den Verlag hättest, wozu braucht es dann noch ein Netzwerk außer zur Kritik?
Zur Textkritik?

Außer dazu?
Austausch. Ich brauche Menschen. Ich bin jemand, der in der Gruppe lebt. Deswegen auch die Familie. Für mich ist zwar die Herkunftsfamilie wahnwitzig, aber meine künftige Familie erfüllt dieselbe Funktion wie eine Literaturgruppe. Ich brauche Austauschverhältnisse mit Menschen und das ist etwas, was auch in meiner rhetorischen Präsenz liegt. Ich brauche Menschen, mit denen ich reden kann, um mein Denken zu entwickeln. Manchmal bin ich wahnwitzig im Reden, weil ich monologisiere und das geht den Menschen sehr oft auf die Nerven. Aber ich kenne mittlerweile einige Menschen, die das akzeptieren, weil sie wissen, daß ich bei meinem Reden, mein Denken entwickle. Und wenn ich die Menschen nicht mehr habe, kann ich mein Denken nicht mehr entwickeln. Ich kann mich an keine Situation erinnern, wo ich nur geschrieben habe und nur im Schreiben mein Denken entwickelt habe. Ich habe es immer vorher oder nachher mit Menschen im Gespräch überprüft, ob das, was ich denke, richtig oder falsch ist. Das kann oft Wochen dauern, bis ich drauf komme, daß das, was der andere gesagt hat, richtig war und ich dann vielleicht auch noch zu dem hingehe und sage, das, was du vor drei Wochen gesagt hast, war richtig und meines war falsch. Das kann ich heute besser. Aber ich brauche eben Menschen, um mein Denken zu entwickeln, weil ich eben Rhetoriker bin und nicht Schriftsteller. Schriftsteller ist eine Notlösung, aber an dieser Notlösung habe ich enorm viel Spaß. Deswegen könnte ich nie ohne Menschen leben, abgesehen davon, daß das keinen Spaß macht. Einsiedler sein, ist nicht meines.

Du sprichst viel von Philosophie und sagst, Autoren sind nichts anderes als Philosophen.
Habe ich das so gesagt?

Ich habe es so in Erinnerung.
Geschriebene Philosophie ist auch Schreiben und ist auch Autorenschaft, das wollte ich damit sagen. Ob jeder Autor ein Philosoph ist, wage ich zu bezweifeln.

Du hast auch gesagt, als Autor braucht es etwas anderes und dann kannst du deine Literatur verkaufen. Du machst es über die Philosophie.
Ich mache es über den Intellektuellen. Ich sage immer, ich bin ein Intellektueller. Ich sage immer, ich habe drei Berufe. Der eine ist der, von dem ich lebe, ich organisiere Veranstaltungen. Ein Beruf, zu dem bin ich ausgebildet worden, Historiker. Und ein Beruf, den ich ausüben möchte, daß ist der des Intellektuellen. Ich betrachte mich nicht als Künstler, ich betrachte mich nicht als Schriftsteller. Ich sage, was ich bin, ist ein Intellektueller. Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, was heißt das, intellektuell zu sein. Nach der französischen Tradition eines Intellektuellen: zu schreiben, zu reden, politisch zu handeln und sich gesellschaftlichen Verhältnissen zu stellen und eine Medienöffentlichkeit für die Ideen zu gewinnen, die man selbst hat. Und das auch zu behaupten. Damit begibt man sich in Österreich automatisch in Gegensatz zur gesamten Bevölkerung, weil für die ist das Wort Intellektueller ein Schimpfwort.

Aber ist es nicht so, daß die Philosophie ein noch viel kleineres Publikum hat und wieso sollte das nachher auf die Literaturvermarktung wirken.
Ich will ja gar kein Philosoph werden. Also ich kann gar kein Philosoph werden, weil ich die Sprache der Philosophie nicht beherrsche. Wenn ich Heidegger lesen soll, um Günther Anders zu rezipieren, setz ich vollkommen aus. Ich kann Heideggertexte nicht lesen, weil ich sie nicht verstehe. Ich beherrsche die Sprache der Philosophen nicht. Deshalb war das ein Mißverständnis. Ich will kein Philosoph werden, sondern ein Intellektueller.

Wenn du die Sprache nicht beherrscht, wo liegen dann deine formalen Grenzen beim Schreiben oder beim Lesen.
Also beim Lesen ist es, wenn ich ein Sprachsystem nicht verstehen kann. Ich tu mir auch sehr schwer beim Fremdsprachen lernen. Mein Schreiben endet dort, wo es darum geht, Sprache so zu verdichten, daß Kunst daraus entsteht. Ich glaube nicht, daß ich Kunst produziere. Ich glaube nicht, daß ich ein Künstler bin. Zur Kunst gehört mehr als das Schreiben. Zur Kunst gehört, die Sprache zu verstehen, zu verstehen, wie sie funktioniert und sie auf das hin zu überprüfen und dann auch noch einzusetzen, um das Sprachsystem zu brechen. Innerhalb des Sprachsystems mit Sprache so zu agieren, daß man zeigt, wie Sprache auch zerstörbar ist. Für mich ist Sprache immer auch ein Werkzeug, vielleicht habe ich das bei Brecht gelesen. Für mich ist Sprache kein Selbstzweck, sondern immer eine Vermittlungstechnik, um eine Welt, die ich sehe, einer Welt darzustellen, die diese Welt nicht sehen kann. Für mich ist die Sprache immer dazwischen. Für mich ist sie die Möglichkeit, Wirklichkeit auszudrücken. So wie eben auch das Reden. Aber für mich ist es niemals ein Zweck für sich, also ein künstlerischer Zweck gewesen.

Und was hältst du dann von l’art pour l’art?
Das finde ich toll. Der Armin ist für mich ein wunderbarer Künstler. Der versteht es, die Sprache einzusetzen, in einer Form, wie ich das nie könnte. Er arbeitet mit der Sprache. Er bearbeitet die Sprache. Das finde ich toll, wenn Leute das können. Ich glaube, daß das meine Bildungsgrenze ist. Das hat was mit Erziehung, mit Entwicklung zu tun. Das ist auch nicht etwas, das mir so viel bedeutet, die Sprache als System weiter zu entwickeln. Mir ist es wichtig, die Welt weiter zu entwickeln, mit Hilfe der Sprache. L’art pour l’art ist für mich Okay. Nur das dann als Versuch zu verwenden, um die Welt zu bearbeiten oder gar zu verändern, halte ich für verfehlt, weil damit geht das nicht, weil das eine andere Ebene ist. Aber wenn das jemand kann, wunderbar, sonst hätten wir nicht die Sprache, die wir heute haben.

Eine ganz andere Frage. Gabriel Garcia Marquez hat gesagt, er schreibt, damit er geliebt wird. Trifft das auf dich auch zu.
Eine zeitlang sicher. Ich habe ein Defizit gehabt in der Kindheit. Ich war das dritte Kind von vieren und war eigentlich ein Einzelkind. Mein Bruder war zu jung und meine älteren Geschwister zu alt. Und sicher wollte ich von meinem Vater und meiner Mutter geliebt werden, weil ich das Gefühl gehabt habe, ich bin ein Fremder in der Familie. Ich gehöre zwar dort hin, ich bin glücklich, aber irgendwie bin ich fremd, irgendwie gehöre ich woanders hin. Es ist später dann sicher auch über die Frauen gelaufen. Frauen bewundern dich natürlich auch für das, was du da tust. Turrini hat einmal gesagt, er schreibt nur, um Frauen abzuschleppen. Soweit würde ich nicht gehen, aber es hat natürlich in einem bestimmten Milieu einen gewissen Tatsch, wenn du schreibst. Ah, du schreibst. Dann kriegst du mehr Aufmerksamkeit. Das nützt sich aber sehr schnell ab in einer Beziehung. Das hält nicht lange. Ich glaube, daß ich mich soweit entwickelt habe, daß ich soviel Liebe von Menschen bekomme, mit denen ich zusammen bin, daß ich es über das Schreiben vielleicht nicht mehr brauche. Mein Schreiben hat sich so entwickelt, daß die Lehrerin meiner Mutter gesagt hat, ich muß Tagebuchschreiben, weil mein Stil und meine Rechtschreibung so schlecht ist beim Aufsatzschreiben. Es hat sich alles Mögliche verbessert, nur nicht mein Stil und meine Rechtschreibung. Aber ich glaube nicht, daß ich angefangen habe zu schreiben, um geliebt zu werden. Außer eben indirekt, um meine Lehrerin und meine Mutter zufrieden zu stellen. Ich wollte immer übers Reden geliebt werden. Ich habe immer kommuniziert, um wahrgenommen zu werden, um mit Menschen in ein Liebesverhältnis oder Freundschaftsverhältnis zu treten. Ich habe es später benutzt, um Liebe zu kriegen, aber ob ich es jetzt noch brauche? Ich weiß es nicht. Aber es kann durchaus sein.

Und wie ist es mit dem Schreiben, um Macht zu erlangen?
Also ich will sicher mit dem Schreiben Macht erlangen, aber nicht Herrschaft. Ich mache diesen Unterschied.

Und was für eine Macht?
Medienmacht. Ohne Medienmacht hört mich keiner und liest mich niemand. Und damit ist mein Schreiben, wenn ich es wirklich als Werkzeug verwende, um die Welt zu erklären und zu verändern, sinnlos.

Und letzte Frage. Was wird dein letzter Text sein?
Gesprochen oder geschrieben. Geschrieben kann ich schwer sagen, weil das hängt davon ab, wann mir die Kraft in den Händen ausgeht. Aber wahrscheinlich ist in vierzig, fünfzig Jahren der Computer soweit ist, daß ich hineinsprechen kann. Also wenn das dann soweit ist, daß der Computer meine gesprochene Sprache in Text übersetzen kann, werde ich wahrscheinlich im Bett liegen und meine Vorstellung ist: Ups!


eingestellt am: 28.5.2019 | zuletzt aktualisiert: 28.5.2019
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