ich lebe nun schon einige jahre im salzkammergut und immer noch wundere ich mich über die zahllosen verbotsschilder. eines tages war ich in begleitung eines freundes unterwegs der in einem nebensatz erwähnte: alles wirkt hier so halböffentlich. plötzlich begriff ich die funktion der verbotsschilder. niemand würde in einer großstadt auf die idee kommen irgendeinen privaten raum zu betreten weil alles eindeutig privat ist. im salzkammergut gibt es aber zum beispiel einen uferstreifen an der seepromenade der zwar zugänglich aber nicht öffentlich ist. also stellen die leute einfach ein schild auf um festzuhalten dass es sich dabei um ein privatgrundstück handelt. überall hängen betreten verboten schilder weil nicht auf den ersten blick sichtbar ist dass es orte der privatheit sind. da das salzkammergut aber auch eine tourismusregion ist müssen die menschen auf nette weise – also höflich aber bestimmt – darauf aufmerksam gemacht werden dass sie das eine oder andere nicht tun sollen oder dürfen. verbote sollen nicht direkt ausgesprochen werden. die menschen sollen ja nicht brüskiert werden. also schreiben die stadtväter und stadtmütter zum beispiel: vernünftige fahren hier nicht rad – anderen ist es verboten. sie appellieren an die vernunft. und wer will in der fremde schon als unvernünftig gelten? zumindest nicht wissentlich! das verbot wird also zur frage der eigenen vernunft und zur metapher des neuzehnten jahrhunderts als die aufklärung die vernunft absolut setzte um so alles irrationale und alles emotionale und alles eigene und alles was nicht der konvention entsprach für alle zeiten auszugrenzen. wir alle sind durch die maschinerie der aufklärung gegangen. wir alle sind erwachsen und vernünftig oder wollen zumindest so erscheinen.
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